Blog Artikel #6 – 27.04.2025 – Bastian Rolle
Führungsmodell: Adaptive Führung in Werbeagenturen
Die Werbebranche ist im Dauerwandel. Neue Tools, neue Kundenbedürfnisse, neue Generationen von Mitarbeitenden. Was gestern funktionierte, ist heute überholt. Und trotzdem: In vielen Agenturen wird noch geführt, als wäre Veränderung die Ausnahme. Dabei ist sie längst der Normalzustand.
Das klassische Führungsverständnis scheitert an dieser Realität. Es bietet klare Anweisungen – aber keine Orientierung. Es verteilt Aufgaben – aber keine Verantwortung. Wer in dynamischen Umfeldern wie Agenturen führen will, braucht ein anderes Modell. Eines, das Komplexität nicht wegerklärt, sondern aktiv gestaltet. Eines, das nicht auf Kontrolle, sondern auf Lernfähigkeit setzt.
Genau hier setzt das Modell der adaptiven Führung an: Ein Führungsansatz, der Wandel nicht verwaltet, sondern ermöglicht.

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Was adaptive Führung ausmacht
Adaptiv führen heißt, Führung als kontinuierlichen Prozess zu verstehen – nicht als fertige Antwort. Führungskräfte, die adaptiv agieren, erkennen: Es gibt keine Standardlösung für komplexe Probleme. Stattdessen geht es darum, sich immer wieder auf neue Kontexte, Menschen und Herausforderungen einzustellen.
Im Zentrum steht die Unterscheidung zwischen technischen Herausforderungen (für die es bewährte Lösungen gibt) und adaptiven Herausforderungen, die nur gemeinsam mit dem Team gelöst werden können. Letztere verlangen von Führungskräften nicht Wissen, sondern Haltung. Nicht Entscheidung, sondern Aushandlung.
Spannungen produktiv nutzen
In Agenturen ist Spannungsfeld Alltag: zwischen Kreativität und Kundenwunsch, zwischen Tempo und Sorgfalt, zwischen Freiheit und Verantwortung. Adaptive Führung versteht diese Spannungen nicht als Störung, sondern als Teil des Systems. Sie nutzt sie, um Entwicklung zu ermöglichen.
Konkret heißt das: Nicht jede Entscheidung sofort selbst treffen, sondern gemeinsam analysieren. Nicht Kontrolle ausüben, wenn Unsicherheit entsteht, sondern Vertrauen schaffen, dass auch ohne fertige Lösung gehandelt werden kann. Das Team wird so zur aktiven Mitgestalterin des Wandels – nicht zum passiven Empfänger.

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Führung als Arbeit am System
Adaptive Führung fragt nicht nur: „Was tun wir?“, sondern auch: „Wie tun wir es – und warum so?“ Das bedeutet, Routinen zu hinterfragen, Prozesse sichtbar zu machen und strukturelle Blockaden offen zu benennen. Führung wird zur Arbeit an der Organisation selbst.
Dabei entstehen neue Formen der Beteiligung: Workshops zur kollektiven Zielklärung, gemeinsame Entscheidungsräume, regelmäßige Reflexionsformate. Die Rolle der Führungskraft liegt nicht mehr in der perfekten Planung, sondern in der Fähigkeit, Dynamik zu halten und gleichzeitig Stabilität zu ermöglichen.
Emotionales Navigieren im Wandel
Veränderung löst nicht nur organisatorische, sondern auch emotionale Reaktionen aus – von Widerstand bis Überforderung. Adaptive Führung begegnet dem nicht mit Druck, sondern mit Dialog. Sie erkennt, dass emotionale Intelligenz entscheidend ist, um Teams durch Übergangsphasen zu begleiten.
Das erfordert Präsenz, Zuhören, Feedbackfähigkeit. Und die Bereitschaft, auch eigene Unsicherheit zu zeigen. Wer transparent macht, dass Führung nicht immer Gewissheit bedeutet, schafft Vertrauen. So entsteht ein Raum, in dem Wandel nicht nur passiert, sondern gestaltet wird.

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Ein Modell für resiliente Agenturen
Adaptiv führen heißt nicht, ständig alles zu ändern. Es heißt, das Richtige im Wandel zu erkennen und daraus gemeinsam Neues entstehen zu lassen. Das Modell der adaptiven Führung bietet dafür einen klaren Rahmen – gerade für Agenturen, in denen Veränderung nicht nur Herausforderung, sondern Normalzustand ist.
Resilienz entsteht nicht durch Stabilität, sondern durch Anpassungsfähigkeit. Und genau diese wird zur zentralen Führungsaufgabe: Orientierung geben, wo Altes nicht mehr trägt. Vertrauen schaffen, wo Neues noch unsicher ist. Und gemeinsam mit dem Team lernen, wie aus Unübersichtlichkeit Handlungsspielraum wird.
Das Modell der adaptiven Führung ist kein Rezept, sondern ein Rahmen. Es fordert mehr Reflexion, mehr Mut zur Offenheit und mehr Bereitschaft zur Entwicklung – auf Seiten der Führung wie im Team. Aber genau das braucht moderne Agenturführung: nicht mehr Sicherheit, sondern mehr Bewusstheit im Umgang mit Unsicherheit.
Wer adaptiv führt, reagiert nicht bloß auf Wandel. Er oder sie gestaltet ihn. Und genau das macht den Unterschied zwischen Organisation und Orientierung. Zwischen Führung und Führungskraft.
Key Takeaways:
- Veränderung ist der Normalzustand. Adaptive Führung nimmt Komplexität ernst – statt sie mit Standardlösungen zu überdecken.
- Führung heißt ermöglichen, nicht kontrollieren. Wer adaptiv führt, stärkt Eigenverantwortung und beteiligt aktiv am Wandel.
- Nicht jedes Problem hat eine fertige Lösung. Adaptive Führung unterscheidet zwischen technischen und echten Lernherausforderungen.
- Unsicherheit ist kein Führungsfehler. Sie wird sichtbar gemacht, eingeordnet – und als Raum für Entwicklung genutzt.
- Spannung ist kein Risiko, sondern Ressource. Adaptive Führung nutzt Reibung bewusst, um kollektives Lernen zu fördern.
- Das Team wird zum aktiven Systempartner. Führung ist kein Monolog mehr, sondern ein dynamischer Aushandlungsprozess.